Transportversicherung: Streit um die Ever Given im Suez Kanal

Das Schiff Ever Given von der Reederei Evergreen landete am 23 März 2021 gegen 0540 UTC im Suezkanal. Dabei fuhr es sich im Suezkanal fest und blockierte mit der kompletten Länge den Schiffsverkehr dieser wichtigen Schifffahrtstraße. Nachdem einige Bemühungen erfolglos blieben, schafften es internationale Bergungsexperten und lokale Einsatzteams am 19. März 2021 gegen 1305 UTC das Schiff wieder zu befreien und den Rumpf unter fließendes Wasser zu bringen. Anschließend wurde die Ever Given zum Great Bitter Lake gebracht, wo sie bis heute vor Anker liegt.

 

Wie ist die aktuelle Rechtslage und welche Forderungen bestehen?

Die ägyptische Behörde setzte die Ever Given fest und verlangt einen Schadensersatz. Die aktuelle Forderungen belaufen sich, laut Medienberichten auf über 600 Millionen $. Dabei verhandelt die ägyptische Suezkanalbehörde nicht nur um den Schadensersatz, sondern macht auch die Kosten für die Bergung des Frachters, aufgetretene Schäden am Kanal als auch die entstandene Rufschädigung gelten. Der Versicherer des Schiffes UK P&I Club hält diese Forderung für deutlich zu hoch, da die ägyptische Behörde aktuell auch noch keine Belege eingereicht hat, welche die Forderungshöhe belegen. Das Schiff soll folglich bis zur finalen Zahlung der Entschädigung in Ägypten festgehalten werden und die Besatzung darf während dieser Zeit das Schiff nicht verlassen. Erst wenn der Schadensersatz gezahlt ist, kann das Schiff als auch die 25-köpfige Crew Ägypten verlassen. Allerdings ist das Festsetzen der Crew der Ever Given sehr kritisch zu sehen, da ein Pfandrecht nur an dem Schiff und der auf dem Schiff befindlichen Ladung besteht. Allerdings berichtete die Medienagentur Reuters, dass drei Crew Member bereits das Schiff verlassen durften. Das Versorgen der restlichen Besatzung ist laut Aussage von Reuters auch sichergestellt. Bis Ende Mai 2021 bestehen noch keine klaren Erkenntnisse darüber, wie es zu der Havarie grosse der Ever Given kam. Der Versicherer UK P&I Club hat den Eigentümer der Ever Given für bestimmte Verbindlichkeiten Dritter versichert, welche sich aus solch einem Havariefall ergeben können. Darunter fallen auch Schäden an der Infrastruktur oder Ansprüche aus Behinderungen des Schiffes. Das Schiff an sich als auch deren Ladung sind separat versichert. Doch wie haften die Händler, welche ihre Container auf der Ever Given haben, für die Havarie?

Havarie grosse – alle Beteiligten sitzen mit im Boot

Evergreen als der Eigner der Ever Given hat eine Havarie grosse angemeldet. Dies hat die Folge, dass sich alle Händler an den Kosten beteiligen müssen, welche Ware an Bord des Schiffes haben. Auch einige deutsche Händler sind davon betroffen.

Durch die Havarie grosse müssen nun die Händler Sicherheiten gewähren (meist in Cash oder über eine Transportversicherung), damit sie ihre Ware erhalten. Die Havarie grosse war bereits im antiken Rhodos bekannt. Geriet ein Schiff in Seenot und wurden so zur Rettung der Mannschaft und des Schiffes Ladungsgegenstände über Bord geworfen, kamen alle Händler für den Schaden auf, welche den Händlern für die verlorene Ware entstanden ist.

 

In einigen Ländern ist die Havarie grosse auch gesetzlich geregelt. In Deutschland spricht man von einer großen Havarie, welches im Paragraf 588 im Handelsgesetzbuch (HGB) geregelt ist. Darüber hinaus finden sich in fast allen Frachtverträgen Regelungen für die große Havarie. Entsteht eine Havarie grosse, so wird diese nach den York Antwerp Rules abgewickelt. Entwickelt wurde diese Musterregelung durch das Comité Maritime International, die als Nichtregierungsorganisationen 1897 in Antwerpen gegründet wurde. Das Comité Maritime International hat das Ziel, ein einheitliches, internationales Seerecht zu fördern und zu implementieren.

Wie läuft eine Havarie grosse ab?

Zunächst wird ein Dispacheur vom Schiffseigner eingeschaltet, welcher den Wert des Schiffes als auch die Ladung, sowie den entstandenen Schaden ermittelt, um anschließend die Haftung pro Ladungseigner auszurechnen. Entsprechend haften Händler mit kostspieligen Warenwerten höher, als Händler mit nur geringeren Werten an Board – unabhängig ob LCL Fracht oder ein voller Container transportier wurde. Der Schiffseigner selbst muss sich mit dem Wert des Schiffes beteiligen (in der Regel durch nur eine Versicherung abgedeckt). Anschließend werden die Kosten auf alle verteilt, bei der Ever Given nicht nur die geforderten Kosten des Suezkanal Betreibes, sondern auch die Kosten des Bergungsteams.

Die sogenannte Dispache (Kostenaufstellung), wird in der Regel von einem englischen Gericht auf Plausibilität und Vollständigkeit geprüft. Solch eine Auseinandersetzung ist sehr langwierig und kann mehrere Jahre andauern. Im konkreten Fall im Suezkanal wehrt sich aktuell der Schiffseigner gegen die Festsetzung der Ever Given, jedoch hat das Gericht in Ismailia die Forderung abgewiesen und stimmte so der ägyptischen Suezkanal-Behörde zu.

 

Versicherungsschutz gegen eine Havarie grosse

Eine Warentransportversicherung schützt Eigentümer vor den Beschädigungen der auf dem Schiff, Flugzeug, LKW oder Bahn befindlicher Ware mit einer Allgefahrendeckung. Somit sind die Waren immer zum Einkaufswert (falls sie unfakturiert sind) – inklusive 10 % Marge – gegen alle Gefahren versichert, die im Versicherungsschein nicht explizit ausgeschlossen sind.

Auch die Kosten für eine Havarie grosse sind Teil einer Warentransportversicherung und bilden so einen wichtigen Bestandteil in der kompletten Absicherungskette für Händler und Importeure.